Mittwoch, 23. Februar 2005

Betrogene Betrüger

Betrogene Betrüger
US-Investoren drohen deutschen Kommunen mit Schadenersatzklagen wegen geplatzter Cross-Border-Leasing-Geschäfte


Werner Rügemer

Das einst als Ausweg aus der Finanznot vieler Kommunen gepriesene Cross-Border-Leasing-Modell (CBL) für öffentliche Versorgungseinrichtungen sorgt erneut für Turbulenzen. Das Handelsblatt vom Dienstag berichtete unter dem Titel »Hohe Finanzrisiken für deutsche Kommunen – US-Fiskus attackiert Leasing-Steuersparmodelle« über heftige Auseinandersetzungen zwischen US-Investoren und deutschen Städten. Bisher spielte sich das Gerangel weitgehend hinter den Kulissen ab, denn Investoren und Städte wollen nicht öffentlich zugeben, daß sie jahrelang am Gesetz vorbei gehandelt haben.

Seit 1995 haben Hunderte europäische Städte, darunter auch viele deutsche ihre Kläranlagen, Messehallen, Straßenbahnen und Schienennetze an US-Anleger verkauft und für 99 Jahre zurückgemietet. Die Städte erhielten einen »Barwertvorteil« von bis zu 40 Millionen Euro pro Deal, die Investoren konnten für diese (Schein-)Investition ein Mehrfaches an Steuergutschriften einstreichen. Die Verträge, bis zu 2000 Seiten umfassend, wurden nicht ins Deutsche übersetzt und den jeweiligen Ratsmitgliedern nur in Auszügen und nur in nichtöffentlichen Sitzungen gezeigt. Gerichtsstand für diese Verträge ist New York, Sitz der Investoren ist immer die US-Finanzoase Delaware. Im November 2004 verfügte der US-Kongreß, daß es künftig keine solchen Steuertricks mehr geben werde. Dadurch wurden die Finanzbehörden ermutigt, auch die bisher geschlossenen Verträge, die mindestens noch bis 2020 (erst dann besteht die erste Kündigungsmöglichkeit) laufen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Letzte Woche einigten sich der Internal Revenue Service (IRS), die oberste Steuerbehörde der USA, und das US-Finanzministerium, daß auch die bestehenden Verträge gestoppt und den Investoren Bußgelder aufgebrummt werden können. Ein Vertreter des Finanzministeriums betonte, daß man jetzt weitere Steuereinnahmen erwarte.

»Es gibt Kommunen, bei denen bereits Unfälle passiert sind«, so äußerte sich etwas nebulös Arnd Bühner von der Wirtschaftsprüfergesellschaft Ernst & Young. Er hatte in den vergangenen Jahren Dutzenden von Kommunen CBL-Verträge empfohlen. Andere Berater berichten, daß die Investoren aussteigen wollen, da sie für ihre Milliardenbeträge jetzt keine Vorteile mehr erhalten. Die Investoren versuchen deshalb, den Kommunen Vertragsverletzungen nachzuweisen und Schadenersatz herauszuschlagen. Der würde um ein Vielfaches höher liegen als der »Barwertvorteil«. »Das Unangenehme ist, daß die Fälle von Schadenersatz sehr abstrakt in den Verträgen beschrieben werden«, sagt Bühner. Wenn zum Beispiel die Städte die Verträge an ihr Finanzamt weitergereicht haben, kann dies schon eine Vertragsverletzung sein, da die Städte eine absolute Schweigepflicht unterschrieben haben. Anderes Beispiel: In den meisten Fällen haben die Oberbürgermeister, Kämmerer und Mehrheitsfraktionen zur Beruhigung der Ratspolitiker und der Bevölkerung schon bei Vertragsschluß erklärt, daß das mit den 99 Jahren Laufzeit nicht ernst gemeint ist, sondern die Stadt ihre Kündigungsmöglichkeit schon nach 30 Jahren wahrnehmen wird: Auch das kann als Vertragsverletzung interpretiert werden.

Die Anwälte, Wirtschaftsprüfer und anderen Berater weisen jetzt auf die Gefahren hin, die in den Verträgen stecken, zu denen sie selbst geraten haben. Jetzt wollen die Berater mit »Risikoanalysen« ein zweites Mal verdienen, statt selbst zur Verantwortung gezogen zu werden. Einige Bürgerinitiativen und ATTAC-Gruppen, die CBL-Verträge zu verhindern suchten, wollen in verschiedenen Städten jetzt genauer nachfragen, was sich hinter den Kulissen ihrer Stadtverwaltungen tut.


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